Unheilsam: Sándor Márais Roman "Die Fremde"
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literaturkritik.de, Fremdsprachige Literatur (Februar 2006)

Im Jahr 2003 erschien der von Sándor Márai bereits 1934 verfasste Roman Ä sziget" (dt. 'Die Insel') in Ungarn. Dass der Text jetzt auf Deutsch unter dem Titel "Die Fremde" vorliegt, mag befremden. Sicher, mit der Fremden ist die Tänzerin Eliz gemeint, derentwegen Askenazi seine Frau Anna verlässt und mit der er eine Zeit lang sein Leben teilt. Doch bei all dem Fremden, Fremdartigen und Befremdlichen, das den Text durchzieht, ist es kaum mehr zwingend, den Titel von der Insel zur Fremden hin zu verschieben. Man könnte eine Seelenverwandtschaft von Márais Hauptfigur zu Camus' Meursault aus "L'Étranger" (1942) ausfindig machen. Beide morden im Affekt, aus einem Reflex heraus. Der eine erwürgt eine Unbekannte im Hotelzimmer, weil sie so jämmerlich vor sich hin singt; der andere tötet einen Araber am Strand, weil ihn die Sonne geblendet hat. Beide hadern mit Gott, klagen ihn an und warten auf den irdischen Urteilsspruch. Aber mit der Insel in Márais Roman hat es eine besondere Bewandtnis. Die Insel wird einstehen für die endgültige Absonderung Askenazis von der Gesellschaft und ihrem Tun, für seine wenn auch elende Vereinzelung.
  • @droessler
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